Speak out!

Liebe Leser_innen,

hier seid ihr dazu eingeladen zu posten, wo sich Kontinutäten des Kolonialrassismus in euren alltäglichen und/oder akademischen Erfahrungen erkennen lassen und was dagegen getan werden könnte.

***Diskriminierende, abwertende und beleidigende Inhalte werden von uns gelöscht, bzw. als solche markiert!***

7 Gedanken zu “Speak out!

  1. …Der europäische Kolonialismus wurde durch bestimmte Denkstrukturen legitimiert. Das Eindringen der Händlerfamilien, beispielsweise der Fugger, Wöhrmann oder Lüderitz knüpfte sich an die Suche nach Rohstoffen und Arbeitskraft. Die Ausbeutung wurde durch einen technischen Fortschritt begründet, der in den kolonisierten Gebieten scheinbar nicht existierte. Hinter diesem Denken steckt die Annahme, dass die kolonisierten Gebiete ahistorisch, unberührt (terra nullius), wild, primitiv und unterentwickelt seien. Im Zuge der Modernisierungsprozesse in Europa, also auch in Deutschland, kam es zu der Entstehung neuer politischer Systeme (Abschaffung des Feudalismus, Entstehung des Kaiserreichs), des Nationenstaats, technischen Entwicklungen (Industrialisierung) und der Ausdifferenzierung von Wissenschaftssystemen sowie dem Schulwesen. Deutsche begriffen sich im Vergleich zu den Kolonisierten als fortschrittlich, zivilisiert und moralisch sowie intellektuell überlegen. Diese Überlegenheit wurde beispielsweise durch sogenannte Rassentheorien befeuert (unter anderem durch Imanuel Kant). Ausdruck fand dieses Denken zum einen im Genozid kolonisierter Gruppen, ihrer Umsiedlung, Versklavung und Ausbeutung der Arbeitskraft. Zum anderen kam es zu epistemischer und religiöser Gewalt. Kolonisierte sollten zur richtigen Religion bekehrt werden, Kolonialsprachen lernen und ihnen wurde ein neues Schulsystem aufgezwungen. Lokale Religionen, Sprachen und Bildungsprozesse wurden systematisch devaluiert und unterdrückt. Zugleich fand die Objektivierung der Kolonisierten ihren Ausdruck in der Anhäufung von Wissen über sie. Europäische Wissenschaftler und Kolonisatoren, die sich ironischerweise als Entdecker sahen, kartographierten, schrieben Reiseberichte, kategorisierten und klassifizierten Flora, Fauna und Kolonisierte. Die Folgen dieser Art der Wissensproduktion sind noch heute aktuell. Schul- und Wissenschaftssysteme sind weltweit die hegemoniale Form der Wissens(re-)produktion. In Deutschland findet diese Hierarchisierung beispielsweise Ausdruck durch die Forcierung bestimmter prestigereicher Studiengänge, der Exzellenzinitiative, der Internationalisierung und Vernetzung weltweit mit anderen prestigereichen Unis (das bedeutet, finanzstarke Unis des globalen Nordens). Breit akzeptiertes Wissen ist weiterhin scheinbar neutrales, objektiviertes und quantifiziertes Wissen. Es existiert ein starrer Kanon idealisierter (männlicher, weißer, gutbürgerlicher) DENKER, die auch heute noch breit rezipiert und unterrichtet werden (um eine angeblich stabile Basis, ein vertrauenswürdiges Wissensfundament zu vermitteln). Postkoloniale und von struktureller Diskriminierung betroffene Positionen und Wissensformen sind oftmals in universitären Kontexten marginalisiert und als unwissenschaftlich, subjektiv, emotional, nicht-verallgemeinerbar abgewertet. In meinem Bachelorstudiengang, den Erziehungswissenschaften lag der Fokus ausschließlich auf weißen, deutschen/europäischen und zum größten Teil männlichen Pädagogen. Seminare, die diesen Kanon aufbrechen, wurden schlicht nicht angeboten.

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  2. In meinem Kernfach “Deutsche Literatur” werden häufig im Namen einer autonomen Erzählinstanz in Prosa und Lyrik jegliche Bezüge auf die Positionierung der Autor_innen als unwissenschaftlich dargestellt und es dominiert generell die Vorstellung, dass die “künstlerische Freiheit” Verantwortungslosigkeit und die (Re)produktion diskriminierender Inhalte legitimiert und diese vorallem nicht direkt auf die Verfasser_innen zurückgeführt werden können.Es wird generell nur den Werken weißer, zumeist männlicher Autoren Repräsentationscharakter zugesprochen, in denen auch die zentralen Figuren meist folgende Merkmale aufweisen: weiß, ableisiert, Teil der Oberschicht, hetero*sexuell, normativen Schönheitsidealen entsprechend, etc. Über die Auswahl der Literatur, werden nicht, wie es wünschenswert wäre die Möglichkeit zur Perspektivübernahme und gesellschaftliches Problembewusstsein geschaffen, sondern eine ausschließende Imagination “deutscher, weißer Identität” gestärkt.

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  3. …Zumeist sind Lehrkräfte an deutschen Hochschulen „weiß“ positioniert und lehren auch das Wissen und Denken von zumeist weiß positionierten Autorinnen und Autoren. Der Sprachgebrauch an vielen Schulen und Hochschulen und in akademischen Texten geschieht zumeist noch sehr unreflektiert und beinhaltet leider des Öfteren diskriminierende und rassistische Wörter, die für viele Menschen sehr schmerzlich und verletzend sein können. Durch den Wissens- und Sprachgebrauch und aufgrund der lehrenden Menschen ist der akademische Raum als eine „weiß“ dominierte Sphäre zu betrachten.

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  4. ….Based on what we have covered in class, it is evident that the whitewashing of history through euphemistic wording and narration of a partial history has impacted the structures, institutions and social establishments in Germany today. Particularly looking at the university, it is evident that Germany’s colonial history, as well as any significant other aspect of German history concerning people of color that has made Germany a multi-racial society is ignored in that the resources for students of color or other marginalized, racialized students are severely limited. In limiting access to resources for academic, emotional, or professional support on the university campus, the institution is (in)directly communication that there is no need for this service, and erases the existence as well as the history of Germans of color. This erasure parallels the ways in which German history is told from a white perspective, failing to acknowledge the agency and needs of people of color for whom colonialism and other periods of German history have had severe and lasting repercussions. 

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  5. …Forschungsinstitute und Universitäten tragen noch heute die Namen dieser kolonialrassistischen Akteure, wie zum Beispiel das Robert-Koch-Institut in Berlin. Überhaupt besteht eine grosse Ignoranz und/oder ein offensichtlicher Unwille dieser Institutionen und deren weißen Angehörigen bezüglich der Aufarbeitung oder auch nur Reflexion über die eigene Position und die Kontinuitäten einer kolonialrassistischen Wissensproduktion. Diese werden nicht nur in Studienfächern wie der Ethnologie, wo die “Anderen” in kolonialer Manier erforscht werden, deutlich, sondern auch in den Curricula praktisch aller Disziplinen: weißes Wissen dominiert darin als objektive, rationales Quelle der Wahrheit und wird von mehrheitlich weißen Dozent_innen an mehrheitlich weiße Student_innen, die von ihrem weißen Privileg der Bildungsnähe profitieren, weitergegeben. Gleichzeitig wird das Wissen von Schwarzen und Personen of Color in kolonialistischer Manier als subjektiv und emotional abgetan. Als weiße Person an der Universität wird mir Individualität, Kredibilität und vor allem Neutralität zugesprochen, währenddem ich mich inmitten rassistischer Wissensproduktion befinde, die die Norm meines/des Weißseins nicht hinterfragt.

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  6. …beispielsweise baut die klassische Ethnologie den Grundstein der eurozentrischen und kolonialrassistischen Sichtweise auf „das Fremde“, das in seinen sozialen Praxen aus den eigenen Augen der „zivilisierten Kultur“ betrachtet und immer wertend abgebildet wurde, ohne gleichzeitig die eigene Position zu reflektieren oder je zu hinterfragen. Dieser akademische Bereich galt u.a. als produzierende Instanz von kolonialrassistischem Wissen, (das seine Existenz teilweise noch bis heute währt) und versucht in aktuellen Diskursen die kolonialrassistischen Muster aufzudecken. Des Weiteren entstand aus der klassischen Ethnologie, die den Fokus auf die Erfassung und Deutung des „Anderen“ legt, das Teilgebiet der europäischen Ethnologie, die in erster Linie die eigenen gesellschaftlichen Strukturen und Praxen hinterfragt und differenziert zu betrachten versucht.

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  7. „Fugger- und Welserstraßen dekolonisieren

    Die Fugger und Welser gelten als zwei der einflussreichsten und wohlhabendsten europäischen Handelsfamilien zwischen dem 14. und dem 19. Jhd. Ihre glorreiche Geschichte und ihr Gedenken werden durch zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze, einige Ausstellungen und öffentliche Einrichtungen und 23 nach ihnen benannten Straßen, aufrechterhalten. Zwei dieser Straßen befinden sich in dem Berliner Bezirk Schöneberg. Dass die Fugger und die Welser ihren Reichtum jedoch erst durch ihre Beteiligung am Kolonialismus akquirieren konnten, wird in dieser Geschichtsschreibung oft ent_nannt bzw. verschwiegen und/oder beschönigt. Im Gegensatz zur Lüderitzstraße oder der Petersallee, gibt es zu der Fugger und der Welserstraße bis dato noch keine Ambitionen auf dieses Stück weißgewaschener Geschichte aufmerksam zu machen und die glorifizierte Darstellung der beiden Familien als große Kaufleute besteht fort. Wir finden im Rahmen dieser Orte des kollektiven Gedenkens, Verdeckung und Bagatellisierung der deutschen Kolonialgeschichte und die selektive Weitergabe dieser vor.
    „Noch während der Kolonialzeit […][wurde begonnen], der deutschen Kolonialwelt auf der Berliner Straßenlandkarte ein Denkmal im kollektiven Gedächtnis zu setzen“ (Ha 2009: 110). Am bekanntest ist hier das sogenannte ‚Afrikanische Viertel‘ im Berliner Bezirk Wedding, deren koloniale Namensgebung von 1899-1958 dauerte. In diesem Zeitraum erhielten auch die Fugger- und Welserstraße ihren Namen. Somit sind diese Straßennamen „symbolische Manifestationen der Ideologie, die dem Kolonialismus als Legitimation diente, und sind Zeichen des bis heute gegenwärtigen Rassismus“ (Aikins/Hoppe 2015: 521).
    Wir wollen „[d]urch die Markierung und Problematisierung dieses affirmativen kolonialen Gedenkens im öffentlichen Raum [..] mit kolonialen Traditionen [..] [brechen]– der dominanten Perspektive wird eben jenes Wissen entgegengesetzt, das als Teil kolonialer Aggression unsichtbar gemacht oder gar ausgelöscht werden sollte“ (ebd.: 523).

    In unserer Intervention lassen wir uns von den Fragen lenken, wie auf den verdeckten Teil der Geschichte aufmerksam gemacht werden kann, welche Leerstellen finden wir in den Wissenschaften, der Forschung und den von uns gelesenen historischen Quellen? Wir fragen uns weiterhin nach den historischen Tatsachen oder Stimmen die fehlen. Was/Wer genau fehlt und warum? Was ist verzerrt, geschönt, legitimierend dargestellt und sind hier vllt. kolonial ideologischen Kontinuitäten zu erkennen?

    Unsere Intervention besteht aus der Präsentation und direkten Benennung der kolonialen Aktivitäten der Welser und Fugger in Form einer Timeline, der Begründung und kritischen Rahmung des Themas, dem Umgang mit diesen in der Öffentlichkeit sowie der verschriftliche Prozess der kritischen Selbstver_Ortung und des sich selbst in Beziehung zum Thema setzen auf einem Blog (https://fuggerandwelserstreetdecolonized.wordpress.com/). Auf diesen werden wir durch das Eingreifen ins Straßenbild der beiden Straßen durch verschiedene Formen von Streetart aufmerksam machen. Der Blog wird des Weiteren auf anderen Websites zum Thema verlinkt werden. Nach Möglichkeit wird der Blog in den Literaturangaben thematisch passender Wikipediaartikel auftauchen. Nach Abschluss unserer Intervention, werden wir den Verein Berlin-Postkolonial, der seit Jahren in das Berliner postkoloniale Stadtbild interveniert, über unsere Intervention informieren und sie bitten, die beiden Straßen mit in ihre Interventionen mit aufzunehmen.“

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